Miss Marple

Nachdem man bei Sherlock Holmes der jüngsten Zeit ja bereits nicht mehr ein noch aus wusste und dachte, man sei irgendwo zwischen Matrix und Fight Club eingeklemmt, wirkt ein Blick auf Miss Marple doch erfrischend altmodisch. Richter tragen Roben und Perücken, Polizisten fahren Fahrrad und trinken im Mondschein Bier aus Krügen, alte Damen stricken. Bei einer Neuverfilmung liefe man wohl Gefahr, mit einer Miss Marple als Kung-Fu Panda Po konfrontiert zu werden, doch nicht hier: Margaret Rutherford spielt die Stärke der resoluten, von allen aber beim ersten Zusammentreffen unterschätzten alten Dame stilsicher aus. Sidekick Mr Stringer läuft beständig Gefahr, in die Hände lustiger Witwen zu fallen (Mr "Jim" Stringer ist übrigens im wirklichen Leben Stringer Davis, der bis zu ihrem Tod 1972 mit Margaret Rutherford verheiratet war).

 Alle overacten, was das Zeug hält, aber es ist auch irgendwie in Ordnung. Die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit wird dadurch in jeder Sekunde aufrechterhalten, was auf den Zuschauer wunderbar sicherheitsvermittelnd wirkt. Blutige Szenen halten sich dezent im Hintergrund, ein Schatten, eine Hand - mehr braucht es manchmal nicht.

Dabei wird aber minutiös auf jedes Detail geachtet, wie in einem pièce bien faite auch zu erwarten: wer trug warum eine Rose am Blusenumschlag? Ha - der Verdächtige ist entlastet! Was wurde von wem aus welcher Zeitung ausgeschnitten, die der Täter dann nicht weggeworfen hat? Ha - ein weiteres Puzzlestück, das Licht ins Dunkel bringen wird. Die zwingende Rationalität, die einen Täter entlarvt, der auch linear vorgegangen ist, aber ein bisschen schusselig mit den Indizien verfuhr, ist sehr beruhigend. Man will auch keine Miss Marple, die asiatische Kampfkünste mit den Mitteln älterer Damen praktiziert. Kein Kendo mit dem Spazierstock, kein Tae-Kown-Do mit Gesundheitsschuhen und kein Maschinengewehr im Holzbein. Die dadurch nicht entstehenden Verwundungen reichen natürlich aus, um ein ganzes Heer an Maskenbildnern arbeitslos zu machen. Dafür träumt man aber auch nachts besser als nach dem Genuss eines schlimmen Metzelschockers.

Nostalgie und Konservativität mit einem Augenzwinkern, so soll es sein, und so ist es. Und keine Computertricks. Und keine  blue box. Sondern Hüte in Pappschachteln und Nadeln im Dutt. Damit lassen sich hervorragende Krimis gestalten. Rutherford und Christie, vor diesen beiden Damen gehört der Hut gezogen. So man denn einen trägt.