Cypher

Cypher ist ein ganz spannender Krimi, also in dem Sinne, in dem man Ocean's Eleven oder The Sting auch als Krimi bezeichnen könnte, aber das wird erst sehr spät offenbar, weil alles immer mehr zu verschwimmen scheint. Die Fragen der Hauptfigur sind auch die Fragen der Zuschauer: wo kommen die Alpträume her, wem kann man trauen ... "Who is who?" eben, und "what is what?" in ein und derselben Gestalt. Die Identitäts- und Realitätskiste wird hier auch nicht ohne eine gewisse Cleverness angegangen. Cleverer z. B. als es vergleichsweise Matrix je gewesen ist, ist Cypher schon, allerdings dann auch eindeutig festlegbarer - rückwirkend erklären sich auch die (inszenierten) Brüche, die einen zunächst etwas skeptisch gegen den Film machen, also die Stellen, an denen man sich offenkundig (und vielleicht etwas zu offenkundig) wundern muss.

Sehr gelungen aber ist, auch bei mehrfacher Betrachtung, zum Beispiel die Erstbegegnung des Protagonisten mit Lucy Liu a.k.a. Rita Foster - manches geht hier zu schnell, manches zu langsam, in der Auflösung aus der Distanz allerdings wirkt die ganze Begegnungssequenz sehr schön gemacht. Auch die Langsamkeit des Helden in manchen Routinesituationen ist ein dezentes, aber sachgerechtes Stilmittel. Aufgelöst wird es zum Schluss, als es fast schon zu spät ist.

Es geht hier eben ein wenig zu wie bei Rainer Werner Fassbinder in Welt am Draht, wo auch alle so einen Tacken zu plakativ sind - dort eben als digitale Abziehbilder der (vermeintlichen) Wirklichkeit, und hier als analoge Marionetten in einem bis zum Ende nicht aufgelösten Spiel um Macht, Märkte und Informationen. Und auch hier führt nur eine Gewaltaktion aus dem Kreislauf heraus - ein Segeltörn mit Lucy Liu eben. Dazwischen geht es ein wenig rund - Blut fließt nicht, aber die Dopplung der Ereignisse wirkt schon sehr befremdlich. Der Wahnsinn kommt sozusagen schleichenden Fußes daher, denn jeder Ausweg führt in dieselbe Bredouille, aus der er eigentlich herausführen sollte: "stakes is high, stakes is high" und jeder neue fremde Akteur verspricht, der Gute zu sein, während alle anderen böse sind und ... den Protagonisten im Zweifelsfall umbringen werden. Wobei einzuräumen ist, dass im Moment der Offenbarung der jeweils "Gute" auch nicht so ganz hasenrein wirkt.

Gut, wenn dann doch ein Engel für Charlie in der Nähe ist! Am Ende aber - so erscheint es beim zweiten Sehen - steht man dann tatsächlich unvermutet Atze Schröder gegenüber (dabei handelt es sich doch gar nicht um 7 Zwerge). Und man fragt sich, ob das so seine Richtigkeit hat. Aber alles wird irgendwie gut. Segel setzen!