MTC Nackt

Wenn einmal auf einer Party das Stichwort "Deutscher Film" fällt, liegt man mit folgendem Statement auf jeden Fall im grünen Bereich: "Die kriegen das ja nie so locker hin wie in Hollywood." Dazu muss man weder den Film gesehen haben, noch mitbekommen, um welchen Film es eigentlich ging. Sofort wird sich die Runde in GegnerInnen und BefürworterInnen ("Till Schweiger ist doch gar nicht so übel." "Aber das 'Boot'!") spalten und die nächsten 10 Minuten sind konverstionstechnisch gerettet. Ja, so kann man es sich leicht machen, auch ohne etwas zu wissen? Und wenn man doch etwas Inhaltskenntnis braucht?

Nun also zu "nackt", nach einem Theaterstück ("Happy") und unter der Regie von Doris Dörrie. Die Story ist schnell erzählt: sechs Thirtysomethings-FreundInnen, die drei Pärchen geworden sind oder umgekehrt treffen sich zum Abendessen. Die Konfliktlinien sind Fremdheit-Vertrautheit / Arm-Reich / (noch)zusammen-getrennt. In der Mitte des Dinners kommt es zur namensgebenden Szene, weil im Rahmen einer Wette sich zwei der drei Pärchen nackt und mit verbundenen Augen betasten, um herauszufinden, ob sie ihren Partner / ihre Partnerin erkennen.

Der Film ist streng durchkomponiert und wirkt auch auf der Ebene der Dialoge wie die gelackte Atmosphäre im Haus des (reichengewordenen) Pärchens. Das fasziniert auf einer einen Seite, auf der anderen erwischt man sich dabei, wie man nach Papier und Stift greifen will, um sich Notizen für den späteren Unterricht zu machen. Kurz gesagt: es riecht gewaltig nach Deutsch-Leistungskurs. Und alles spielt ausgerechnet noch in Berlin, das hier nur als Hintergrundrauschen dient, aber die Sehnsuchtshauptstadt aller, wirklich aller Gymnasiastinnen und Gymnasiasten in der Provinz ist.

Vielleicht ist das die Krux aller vieler deutscher Filme: Oberstufendialoge in Berlin. Alles verfilmte Reclamhefte, die entweder krampfhaft verfilmte Reclamhefte (Die letzte Stufe, Luther; Hitler im Bunker) oder krampfhaft keine verfilmten Reclamhefte (Keinohrhasen; alle deutschen "Komödien") sein wollen.

Ich bitte in den Kommentaren um Differenzierung, liebe Schülerinnen und Schüler. In der Oberstufe herrscht ja bekanntlich die Bringpflicht