Rape and Revenge Slasher Horror

Wenn es ein Genre gibt, das mir total auf die Eierstöcke geht, dann ist das dieser ganze Körperzerschnetzel-unmotivierte-und-pseudo-gerechtfertigte-völlig-durchsexualisierte-Gewalt-Scheiß. Wenn man sich in den einschlägigen Foren heumtreibt, oder auch nur einmal bei amazon guckt, wie sich der Freund solcher Streifen gibt, dreht sich einem doch der Magen samt Inhalt um und schleudert wie die Waschmaschine im Spülgang. Man weiß nur nicht genau, wovor es einem mehr gruselt. Macher oder Publikum.

Und man muss zugegebenermaßen natürlich durchaus differenzieren, insbesondere bei Geschichten, die nicht als "holla, noch eine Spur härter"-Remake zur Verfügung stehen. Vieles im Zombiebereich lässt sich ja durchaus noch mit einer Lesart versehen, die Themen wie Segregation, Anpassung und Interkulturalität, Konsumismus und unverarbeitete Konflikte an die Oberfläche holt und in gleichsam metaphorisch personalisierter Form auf eine externe Bedrohung projiziert. Wobei im frühen Romero die reale Bedrohung echter Minderheiten durch echte und unmenschliche Majoritäten so prominent ist, dass man ja fast geneigt ist von Moralismus zu sprechen. Night of the living dead ist hier mustergültig zu nennen. Dort gehen die von überforderten Kritikern aufgebrachten Argumente auch vergleichsweise ins Leere.

Aber nicht jeder ist ein Romero, und schon gar nicht der frühe.

Womit man es im großen Stil zu tun hat, ist Folgendes. Etwa Last House on the Left:

"Die beiden Frauen werden gequält und vergewaltigt . Während ihre Freundin im Wald stirbt, kann sich die angeschossene Mari ins Haus ihrer Eltern schleppen. Ausgerechnet dort sucht die Gang unwissentlich Unterschlupf. Als das Ehepaar von dem Gewaltverbrechen an ihrer Tochter erfährt, nehmen sie an den Tätern gnadenlos Rache."

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Ja wtf? Was sind das denn für Prinzipien, die da zur Anwendung kommen? Minutenlange Folter von Jugendlichen (natürlich und unwidersprochen junge Frauen), die die rechtfertigende Folie abgibt, damit dann auch noch die Eltern mit einigem improvisierten Zerschnetzel-Equipment das gleiche Spiel spielen.

"Maris Mutter lockt Fred mit dem Versprechen auf Sex in den Wald und beißt ihm dort seinen Penis ab, wodurch Fred verblutet. "

(Seite „Das letzte Haus links“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. Juni 2010, 14:07 UTC. URL: http://d e.wikipedia.org/w/index.php?title=Das_letzte_Haus_links&oldid=75985466 (Abgerufen: 30. Juli 2010, 20:47 UTC))

Geht's noch?

Und was sagt der differenziert urteilende Zuschauer? Exakt:

"Der Film ist echt klassse mir gefällt er.
Er ist richtig cool"

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Und The Hills Have Eyes? Worum wird's wohl gehen? Dreimal darf man raten... wir erfahren es im Spiegel des Zuschauers:

"Ich war vor allem wegen der blonden Schauspielerin aus der berüchtigten Vergewaltigungs-Szene begeistert,weil immerhin trägt sie durch ihr Spiel einen erheblichen Teil dazu bei,dass diese Szene so grauenhaft rüberkommt.  [...] Da ich für den Rest des Films nur noch das Mädchen und die Vergewaltigung im Kopf hatte, bin ich jedesmal,wenn Doug eins von den Mutanten gekillt hat, aufgesprungen und hab triumphiert. Das war für mich einfach Genugtuung pur, zu sehen,was mit diesen Typen gemacht wird,nachdem was sie dem Mädchen angetan hatten."

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Ja, nicht "Last House on the Left", sondern "The Hills Have Eyes." Zum Verwechseln ähnlich? Ja! Es ist ja auch immer das selbe Altmetall, wobei sich die Regie jeweils auf besondere Weise anstrengt, den gleichen Hüttenquark in etwas andere Pappschachteln zu quetschen, um dem Zuschauer eine Differenz vorzugaukeln. In Wirklichkeit geht es einfach darum auszuloten, was visuell und gesellschaftlich machbar ist. Da steckt unter der Oberfläche dann nur noch ein hauchdünnes Nichts, das in irgendeiner Weise solche Streifen rechtfertigen soll. Aber die Filme apellieren eigentlich an nichts, außer vielleicht an entwicklungsgeschichtliche Überbleibsel von Verhalten und Vorstellungen, die zivilisatorisch noch zu überwinden wären, aber im eigentlichen Sinne nicht so gut visuell abzufeiern sein sollten.

Wie will der Zuschauer, der sich nicht unwohl fühlen möchte, das nun rechtfertigen, damit es nicht wirkt wie reine Lust an der Betrachtung von Körperdestruktion plus Vergewaltigung? Mit Afterphilosophie.

"Die Leute hier,die diese Szene anprangern,sollten vielleicht mal darüber nachdenken, dass es vielleicht genau dieses Gefühl war,auf das die Macher abgezielt hatten. Und seid mal ehrlich, viele hier würden sich doch wünschen,dass auch in der Realität sowas mit Vergewaltigern gemacht wird."

Und damit ist der double bind schon da. Mit der Entscheidung, sich auf das Betrachten einzulassen, hat der Zuschauer bereits seine Einwilligung gegeben, das Werk zunächst einmal at face value hinzunehmen und kann dann eigentlich aus dem Komplizentum nicht mehr heraus. Zu einer reflexiven Haltung kommt es so aber nimmer. Sondern maximal zu "Gefühlen", auf die die Macher möglicherweise abzielen. Die Punchline ist immer: "Are they themselves capable of the same violence as the others?" Wobei die filmische Antwort ("ja, natürlich, selbstverständlich ist jedem alles zuzutrauen, wenn man will") immer nur zum Voyeurismus einlädt.

Das lässt sich dann auch nicht mehr dadurch verbrämen, dass man sich einen irgendwie gearteten interpretatorischen Kunstgriff dazuerfindet, mit dem man dann irgendeine Auslegung herbeiphantasiert, mittels derer so etwas Ähnliches wie eine Sinnstiftung erzeugt werden soll.

Zum Beispiel bei Ajas High Tension.

"Noch in der Nacht steht ein unbekannter Sadist vor der Tür, der Alex' Familie grausam ermordet und sie selbst als Sexspielzeug in seiner Rostlaube mitnimmt, während die unentdeckt gebliebene Marie dem Psychopathen nacheilt um ihre heimlich begehrte Freundin aus den Klauen des Wahnsinnigen Schlächters zu befreien."

http://w ww. amazon.de/ exec/obidos/ASIN/B000N8UZ86/

Das Muster ist ja allmählich wohlbekannt: Sexspielzeug, Vergewaltigung, Psychopath, grausam ermordet. Jetzt dient die Folie des "heimlichen Begehrens" einigen Rezensenten dazu, mithilfe psychoanalytischer Auslegungen eine stringente Deutung unterhalb der Filmoberfläche an den Nasenhaaren herbeizuziehen (etwa http://w idescreenjournal.org/index.php/journal/article/viewArticle/25/32 ). Dass das aber ein bloßer Reflex ist, ist nicht schwer zu durchschauen.

Denn ein Zusammenhang zur Psychoanalyse ist prima facie doch überhaupt nicht fragwürdig. Wenn man auf der einen Seite eine Betrachtung des Menschlichen hat, die im Wesentlichen an Sexualität und Gewalt interessiert ist und bei der die Frau nicht so gut wegkommt, und man hat auf der anderen Seite einen Film, der im Wesentlichen an Sexualität und Gewalt interessiert ist und bei dem die Frau nicht so gut wegkommt - passt das dann wie die Faust aufs Auge oder wie der Arsch auf den Eimer? Richtig!

In anderer, nämlich ethischer Hinsicht ist es aber wiederum total fragwürdig, denn es gibt wenige Gründe dafür, dass das Unterbewusste im Film sowohl in Großaufnahmen die Kehle unbedrohlicher Charaktere durchschneiden noch sie köpfen noch sie mit der Kettensäge ausweiden muss. Oder ein Kind töten. Das bleibt menschenverachtender Mist. Und auch eine psychoanalytische Jubelkritik ändert nichts daran.

Es ist ja auch keinesfalls etwas damit gewonnen, wenn man in Filmen psychoanalytisch verwurstbare Elemente entdeckt, ohne dass der eigentliche aufklärerische Anspruch der Psychoanalyse eingelöst wird, nämlich das Verdrängte und Unterdrückte zum Zwecke seiner gedanklichen Bewusstmachung an die Oberfläche zu führen. Hier wird gar nichts an irgendwelche Oberflächen geführt, sondern der Ausgangspunkt ist die visuelle Oberfläche. Und dort ist klar und deutlich zu sehen: die Darstellung von Gewalt auf Zelluloid zur Unterhaltung derer, die gerne Gewalt auf Zelluloid sehen.

 Dadurch, dass man sich dem aussetzt, wird man aber kein aufgeklärterer, reflektierterer oder besserer Mensch. Man merke nämlich: Erlebnis ist nicht gleich Erfahrung. Und viele Darstellungen verbleiben genau da, im Erlebnis, das jenseits des Nervenkitzels eigentlich sinnlos bleibt: sie delektieren sich lediglich am Abscheulichen und Unmoralischen. Punktum. Dabei adelt auch der immer wieder beschworene "filmemacherische Tabubruch" nichts, da es kein Tabubruch zu einem höheren Zwecke ist.

Zudem bleibt er lediglich eine Behauptung. Denn wo gibt es im Leben Gewalt, wenn nicht gegen Schwächere? Das ist kein Tabu, ist es nie gewesen, sondern das ist die übliche Feigheit und Hinterhältigkeit - und so wird maximal ein uraltes Machtgefälle zwischen Zerstörendem und Zerstörtem weiter zementiert. Leider sehen das nur manche im Urwald der Filmkritiken ähnlich, dann aber genau so deutlich ( http://w ww.f ilmstarts.de/kritiken/40509-High-Tension/kritik.html ).

Und um das noch einmal deutlich zu sagen: dass irgendwann im Film die Rollen umgedreht werden, ändert überhaupt nichts. Das sind archaische, primitive Muster der Gewalt, die wir vermutlich schon auf allerniedrigster Entwicklungsstufe finden und deren produktive Verwandlung die eigentliche zivilisatorische Aufgabe ist. Die immer wiederkehrende Variation des filmischen Themas "wir zeigen mal ganz drastisch, wie Männer (und andere Menschen) Frauen (und andere Menschen) kaputt machen  und sind uns dann der Sympathie des Publikums so sicher, dass wir auch noch mal ganz drastisch zeigen, wie auch diese Männer kaputt gemacht werden" ist in diesem ganzen Zirkus nämlich wohl der wahre Alptraum.

Hier könnte die Psychoanalyse vielleicht wirklich einmal ansetzen bzw. in größerem Stile dort, wo die Ursachen dafür liegen, dass diese Filme sowohl Leute finden, die sie herstellen, als auch solche, die sie konsumieren. Wenn dort verdrängte Wünsche und Sehnsüchte eine Rolle spielen, dann sollten diese doch beizeiten aufklärerisch ans Licht des Verstandes gerückt werden.