Mann, der Herr Tarantino, da hat er sich ja wieder mal einen abgedreht, da fällt einem das Gesicht teilweise in Scherben herunter. Auf der positiven Seite gibt der Film sich überraschend ambivalent, insbesondere durch die Inszenierung der Gewalt, wobei die Freigabe ab 16 Jahren keinen Monat zu spät kommt, eher im Gegenteil. Ich hatte vor dem Viewing und völlig ohne Lektürebasis die Befürchtung, man würde da einen Revenge-Film vorgesetzt kriegen, in dem die Bösen erstmal richtig böse sind, damit die Guten dann hinterher richtig böse sein dürfen. Aber das war zum Glück als Befürchtung alles Quatsch. Der kluge Georg Seeßlen hat es treffend beschrieben:
Die Guten, die keine Opfer mehr sein wollen, können auch keine vollständig Guten mehr sein.
http://www. spiegel.de/kultur/kino/0,1518,642401,00.html
Dem hab ich inhaltlich überhaupt nichts hinzuzufügen - und die Inszenierung scheint mir das auch vollauf zu belegen. Die Grenzziehung verschwimmen, aber das ist die große Stärke des Films. Insofern ist Tarantino auch intelligent vorgegangen - aber (leider) nicht zimperlich, wobei skalpieren auch nicht so meine Sache ist und wie eingangs erwähnt, offenbar vom Verleih doch nicht auf eine FSK 12 gesetzt wurde. :)
Aber eines bleibt zu beklagen. Die armen Schauspieler und Schauspielerinnen! Bis auf Christoph Waltz und Mélanie Laurent scheinen alle bei der Rollenverteilung die sprichwörtliche Arschkarte gezogen zu haben. Oder man hat sie alternativ dazu angewiesen, deutlich unter ihrem schauspielerischen Rahmen zu agieren. Oder man hat als "deutscher Star" eben im Allgemeinen doch nur Sub-Hollywood-Niveau. Bzw. wie im Falle von Eli Roth zeigt sich eben, wer da überhaupt in seiner Eigenschaft als Schauspieler gecastet wurde und wer nicht. Und wer da vielleicht nur als Freund dabei war, seine Muckis als "Bärenjude" zeigen wollte und den einen oder anderen Namen ins Spiel zu bringen wusste ; )
"By the age of 20, and while still a student at NYU, Roth ran the office of producer Frederick Zollo"
http://en. wikipedia.org/wiki/Eli_Roth
Frederick Zollo? Ja? Der bekannte Frederick Zollo? Das verweist doch direkt auf Fredrick Zoller und den Film im Film - siehe unten :) . Daniel Brühl macht nun auch nicht gerade bella figura, aber wer weiß, ob nicht auch da der Regieauftrag lautete: hier ist eine holzschnittartige Darstellung gewünscht, also einmal Holzschnittt bitte!
Brad Pitt jedenfalls, der wohl wirklich auf hohem Niveau schauspielern kann, ist gezwungen, eine unheimliche Hackfresse zu ziehen, was bisweilen fast aussieht, als sei der arme Mann mit einer ermäßigten Karte ins Kino und auf die Leinwand gekommen. Und es bringt den Film auch nicht wirklich weiter
Kränkeln tut der Film meines Erachtens an seinem Ende. Und damit meine ich nicht einmal die letzten 20 Minuten. Sondern nur die letzten zwei. Resümierend ist mir aber doch ganz wohl dabei, dass Nazideutschland und Co. auch im Jahr 65 nach dem zweiten Weltkrieg einen Filmtopos abgeben, in dem die Nazis in ihrem Wirken irgendwie, ähm, unverklärt abgebildet werden. Zum Beispiel nicht als das distanziert zu betrachtende dämonische Böse. Sondern als dessen abgeklärte, disziplinierte und auf Effizienz bedachte Arbeiter und Handlanger. Umso schlimmer ja, dass das Böse eben auch und gerade ein menschliches Antlitz trägt.
Und gute Filmemacher waren sie auch nicht, wie man sich schnell vergewissert.
P.S. und, ach ja, an zentraler Stelle kommt doch Cat People (Putting Out Fire) von David Bowie im Soundtrack vor. Ist Herr Tarantino nicht auf eine absonderliche Weise immer sehr bedacht bei der Auswahl der Stücke, mit denen Schlüsselszenen hinterlegt werden?