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Sprachpäpste I: Mike Schnoor

Da aber staunte Herodot Lifesteyl. Man darf nicht zweifeln, ob man im Deutschen "tweetet" oder "twittert", jedenfalls laut Herrn Schnoor, denn Herr Schnoor ist sich sicher, dass es "twittern" heißen muss. Und er kennt sich gut aus in solchen Dingen, da er "seit wenigen Tagen schon ganze sechs Jahre bei Twitter aktiv" ist. Und wie das so ist mit den Dingen, die man "seit wenigen Tagen bereits seit sechs Jahren tut", so war am Anfang ("früher") noch alles gut, denn da war noch alles aus Holz. Beziehungsweise "war die Welt früher begrünt". Aha. "Begrünt", mhm. Und die Sonne schien,  wie sie das so zu tun pflegt in begrünten Welten. Beziehungsweise vielmehr "schien der eitle Sonnenschein" in Herrn Schoors begrünter Welt.

Au weia, denkt der Leser, und: das konnte ja nicht lange so weiter gehen mit dem eitlen Sonnenschein in der begrünten Welt, und tatsächlich neigen sich die seligen Zeiten krummer, mundgebissener Ausdrücke ganz offenbar einem traurigen Ende zu, denn, ja denn, es "ziehen heutzutage immer öfter düstere Wolken auf. Die Leute wollen nicht mehr twittern, sondern verbalisieren sich inbrünstig auf 'tweeten'". Oha. Da muss man in der Tat kräftig schlucken. Die Leute! Sie verbalisieren sich auf etwas! Und zwar inbrünstig! Wie man sich überhaupt "auf etwas verbalisieren" kann, ist mir nicht klar, aber ich bin ja auch nicht Herr Schnoor. Jedenfalls verbalisieren sich Herrn Schnoors Beobachtung nach diese ganzen lästigen  Leute ja jetzt zunehmend inbrünstig auf "tweeten" (ist das überhaupt ein deutscher Satz? Ich weiß es selbst nicht mehr). Das ist nicht gut, das prangert Herr Schnoor an, und der Schuldige ist schnell gefunden: "Wer hat Schuld für diese Misere? Die Werbung!" Quelle: http://mikeschnoor.com/2 013/03/12/wir-twittern-und-tweeten-nicht/

Ja, aber wer hat denn jetzt "Schuld dafür", dass man im Deutschen "Schuld an etwas hat" und nicht "für etwas"? Und dass man nicht einmal Schuld für etwas trägt? Und wer ist Schuld daran, dass Herr Schnoor das entweder nicht weiß, nicht wissen will oder ihm das alles sowieso total egal ist? Ist daran jetzt  die Schule schuld? Oder auch die Werbung? Oder gar Twitter und die vielen Inbrünstigen, die dort tweeten wollen, anstatt (wie Herr Schnoor es wünscht) dort gefälligst zu twittern? Wie früher? Als die Welt noch begrünt war?

Und wer hat am Ende gar "Schuld dafür" (aua, aua, arrgh!!! :) ), dass "tweet" im Englischen zwar ebenso ein Verb ist wie "twitter", aber der in solchen Fragen durchaus zitationsfähige Merriam-Webster nur unter "tweet" die Nebenbedeutung "to post a message to the Twitter online message service" führt? Und nicht unter "twitter"? Und sagt man dann im Deutschen (wenn man schon ein Wort entlehnen will), nicht besser "tweeten"? Man weiß es nicht. Ich weiß es nicht - Millionen von uns wissen es nicht - und uns allen voran schreitet Herr Schnoor. Weil er nämlich denkt, er wisse es besonders gut. Aber das ist Herrn Schnoor wahrscheinlich auch Hekuba. Hekuba? Ja, wenn wir schon einmal Bildungshuberei betreiben wollen, Hekuba!