Sie sind hier

Veggie Day, Du und Deine Argumentationsmuster

Ob wirklich immer, wenn man den Deutschen verbieten will, etwas Dusseliges zu tun oder wenn man ihnen gebieten will, etwas Kluges zu tun, der Wind von vorne zu pfeifen beginnt, ist nicht leicht entscheidbar, aber falls es stimmt, so liegt es wohl in der Natur der Sache. Weil, so das zugrunde liegende Argument, die Freiheit des Deutschen nun mal darin besteht, etwas Dusseliges tun oder etwas Kluges unterlassen zu dürfen, wenn ihm das eben so durch die Rübe rauscht. Und da wäre es ihm in der Sache auch völlig egal, ob er jetzt durch weniger Fleischverzehr tatsächlich etwas für die eigene Gesundheit, die Umwelt, oder gegen den weltweit immer noch zu hohen Verbrauch an Primärenergien tun kann oder nicht, denn selbst dann, wenn ein fleischloser Donnerstag in Deutschlands Kantinen nachweislich eine positive Wirkung hätte, würde man es immer noch aus Prinzip scheiße finden können, dass so etwas von oben verordnet wird.

Und zwar ganz gleich, ob man bereits aus irgendwelchen irrationalen Gründen zum Beispiel Freitags auf Fisch verzichtet oder nach Karneval fastet. Hauptsache, man wird nicht gezwungen, etwas zu tun, sondern man kann sich selbst entscheiden. Ansonsten setzt man sich zur Wehr und schreit "Freiheit", denn wo sollte das auch noch hinführen? Zu Rauchverbot, Alkoholverbot am Steuer, Gurtpflicht, Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Autobahn, und am Ende noch zu einem Leben zu Füßen des Gesetzes? Niemals! Vorschriften? Total undeutsch! Wir sind ja bekanntlich extreme Freiheitskämpfer und Autoritäten und autoritären Systemen total abhold, immer schon gewesen, und insbesondere dann, wenn sie auch nur mit dem Anflug eines flächendeckenden Wurstverzichtes einhergehen.

So weit kennen wir das ja, und so weit begreife ich auch, was sich da jetzt abspielt. Aber die Argumente zur Untermauerung sind mir dann doch eine Nummer zu hoch. Zum Beispiel:

a) "lieber gutes deutsches Fleisch als Soja vom Ausländer"

"Ein staatliches Fleischverbot aber ist eine Frechheit. Für diese Erkenntnis muss man noch nicht einmal die Debatte über Soja aus Südamerika versus Rind von der heimischen Weide erwähnen." http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fleischverbot-ein-veggie-day-waere...

Womit werden denn die Rinder von der idyllischen heimischen Weide so gefüttert? Mit gutem deutschen Gras? Scheint ja so zu sein. Ich hatte bisher immer angenommen, die Rinder äßen ausländische Sojabohnen. Oder waren das die idyllisch aufgezogenen guten deutschen Schweine?

b) "wir tun schon von selbst das Richtige"

"Die Grünen sollten besser Aufklärungsarbeit leisten und der Gesellschaft immer wieder vor Augen führen, was die Entscheidung, Fleisch zu essen, bedeutet. Damit geben sie den Menschen die Möglichkeit, für sich selbst eine Entscheidung zu treffen, ob und wie viel Fleisch sie essen wollen." http://www.stern.de/politik/deutschland/leserstimmen-zum-veggie-day-die-...

Man könnte ja fast zu denken versucht sein, der Ruf nach Aufklärung sei vor allem deswegen so beliebt, weil man gute Ratschläge ohne Weiteres in den Wind schlagen kann. Aber das ist ja Ketzerei, denn natürlich funktioniert die "Aufklärungsarbeit" wunderbar. Hat ja auch beim Telefonieren mit dem Handy am Steuer wunderbar geklappt, dem Anschnallen im Auto, dem Alkohol am Steuer, dem Rauchen in der Öffentlichkeit, dem die-eigenen-Kinder-Verkloppen-wenn-einem-danach-ist und so weiter und so fort. Alles nur mit ein bisschen Aufklärung. Ups, ok, auch mit ein wenig Gesetz. Aber egal.

c) "wir tun ohnehin schon genug"

"Der Fleischkonsum sinkt in Deutschland seit Jahren, jede Kantine, die auf sich hält und nicht gerade Bauarbeiter versorgt, hat täglich vegetarische Gerichte im Programm, jeder Pizzawirt lebt etwa zur Hälfte von vegetarischen Gerichten, und viele Studenten essen in einer veganen Mensa [...]" http://www.tagesspiegel.de/meinung/renate-kuenast-fuer-verzicht-auf-flei...

Ganz abgesehen von dem miesen Seitenhieb auf die (fleischfressenden, weil ungebildeten?) Bauarbeiter ist ja die Frage, ob der rückläufige Fleischkonsum nicht auch damit zu erklären ist, dass "sich der Anteil der Vegetarier in Deutschland mit 3,7 % innerhalb der letzten sieben Jahre verdoppelt" hat ( http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Genereller-Trend-zu-sinkendem... ). Wenn man mal ganz davon absieht, dass der Fleischverzehr pro Kopf von 2008-2011 irgendwie überhaupt nicht "seit Jahren rückläufig" ist ( http://www.bvdf.de/in_zahlen/tab_06/ ). Vielmehr scheint der Konsum an Fleischwaren mehr oder weniger konstant um die 30 kg herum zu pendeln. In recht geringer Bandbreite. Und zwar von 2001-2012 ( http://www.bvdf.de/aktuell/fleischwarenverzehr_01-12/ ).

d) "der Veggie Day ist religiös motiviert"

"Möglicherweise hat man deshalb bei den ja durchweg neo-pietistisch gestrickten Grünen einen Mangel an alltäglicher Religiosität empfunden und den Donnerstag ins Visier genommen: Das wird der „Veggie Day“." http://www.tagesspiegel.de/meinung/renate-kuenast-fuer-verzicht-auf-flei...

Fleisch zu essen hingegen ist im Umkehrschluss offenkundig Atheismus pur - Currywurst als Auflehnung gegen die Popen und Pfaffen in einer Republik, bei der die Trennung von Staat und Kirche nie stattgefunden hat? Das ist ja mal eine interessante Annahme.

e) "der Veggie Day ist irgendwie nazimäßig"

Die Nazikeule. Die zieht ja immer. Nämlich: Veggie Day ist Eintopftag. Implizit sind Grüne mithin Nazis. Dafür hat Josef Rickfelder nun allerdings bereits im Januar sein Pflanzenöl Fett weg bekommen (http://www.wn.de/Muenster/2013/01/Nazi-Vergleich-und-Flaggen-Foto-CDU-Vo...), was einen natürlich fragen lässt, warum man den Veggie Day gerade jetzt wieder wahlkampftauglich durch die einschlägige Presse geistern lässt.

Zudem lässt es einen fragen, wie weit die Nazikeule so tragen kann, und ob alle bundesdeutschen Verkehrsminister, die Autobahnen haben bauen lassen, nach diesem argumentativen Strickmuster auch Nazis sind... es hat ja auch Reichsautobahnen gegeben (aber vgl. http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/442/der_wahn_vo...) und alle, die Schuhe tragen oder sich die Haare schneiden lassen, ebenso, denn im Dritten Reich wurden flächendeckend auch Schuhe getragen und Haare geschnitten. Ach so, ja, und man hat Vollkornbrot empfohlen. Vollkornbrot empfehlen ist also auch irgendwie nazimäßig. Beweise? Unbestätigten Gerüchten zufolge hat man in Nazideutschland mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eingeatmet... es könnte also sein, dass einatmen auch ziemlich nazimäßig ist. Verhältnismäßig nicht nazimäßig sind demnach: das Tragen von Chucks, das Skateboardfahren, das Miley-Cyrus-Hören und das Daddeln mit der Xbox. Das gab's damals nämlich alles nicht. Uff, man hat also noch Optionen.

Tags: