Als Trendgetränk macht sich der japanische Matcha-Tee seit einigen Jahren einen Namen in der Szene. Kaum ein hipper Laden kommt ohne "Matcha Latte", "Mokka Matchacino" oder "Matchpresso" aus, um nur eine kleine Auswahl der Varianten zu nennen, die aus dem berühmten japanischen Matcha hergestellt werden. Es handelt sich bei Matcha um einen fein vermahlenen Grüntee, bei dessen Herstellung das ganze Teeblatt zwischen handpolierten Mühlsteinen aus Granit zu grünem Teestaub vermahlen wird. Eine steinerne Teemühle vermahlt in einer Stunde typischerweise nur ungefähr 30 Gramm frischen Grüntees, so dass die Herstellung extrem zeitaufwändig ist.
Während hierzulande bereits die ersten Matcha-Latte-Fertigpulvermischungen (zum Beispiel unter dem Namen "Latte Matchiato") im Handel kursieren und zum Szenegetränk zu werden drohen, ist vielen Teetrinkern aber weithin unbekannt, welche Kostbarkeiten der Matcha-Kult noch birgt. Zwar ist vielen Teekonsumenten bekannt, dass der grüne Matcha-Tee seit Jahrhunderten in der auf Sen no Rikyu zurückgehenden traditionellen Teezeremonie Verwendung findet. Doch nur wirklich mit der Teezeremonie und ihren Grundlagen Vertraute wissen, dass neben dem geläufigen grünen Matcha auch ein weißer Matcha existiert, der den allerhöchsten Feierlichkeiten vorbehalten ist. Während die großen Dichter den grünen Matcha in der traditionellen Tee-Poesie oft mit einem Laubfrosch gleichsetzen, ist der weiße Matcha-Tee nur dem sagenumwobenen weißen Elefanten vergleichbar, jenem mythischen Symbol für Reinheit und Kostbarkeit, das in der asiatischen Sagenwelt für das Allerhöchste steht. Westliche Kulturen kennen derartige Kostbarkeiten, die nur Kaisern und höchsten Priestern vorbehalten sind, meist nicht. Vergleichbar sind vielleicht noch "Le vin du rosier", ein Wein, der der Legende nach im heiligen Garten des Klosters von Bordeaux an einem Rosenbusch gewachsen ist und seitdem lediglich den Päpsten verehrt wird - und das Edelweiß, die kostbare Wildblume der Alpen, deren Zauber weithin bekannt ist.
Weißer Matcha wächst an den (in den Wochen vor der Ernte) durch Bergbambus beschatteten Hängen des Himalaya auf geweihtem Boden, der durch eine besondere Kaste von Sakya-Mönchen gepflegt und gegärtnert wird. Bereits Jahre vor seinem Anbau wird der Boden, auf dem der weiße Matcha wachsen soll, mit kleinen Bambusbesen rituell von allen anderen Pflanzen gereinigt, indem er von Mönchen in der Morgen- und Abenddämmerung unter Gebeten so lange gefegt wird, bis nur noch feine Erde den Boden bedeckt und alle anderen Pflanzen und Samen sich "schlafen gelegt" haben, das heißt ihre Wachstumsimpulse eingebüßt haben. Der im Tibetischen auch das "Bergsilber des Himalaya" genannte Tee wird nur durch auserwählte Mönche gegärtnert, die den Titel des "Erhabenen Wächters des weißen Matcha" tragen dürfen. Von ihnen allein wird der Tee gepflanzt, geschnitten, gewässert und gegärtnert. Das Pflücken ist ganz den Sakya-Meistern vorbehalten und wird von Generation zu Generation in den Klöstern weitergelehrt. Es gibt Dan- bzw. Meistergrade in der richtigen Pflückart - bis ein Sakya-Meister in die höchste Stufe der Pflückkunst eingeführt ist, vergehen nicht selten zwei Jahrzehnte intensiven Studiums und täglicher Übung. Nur das durch einen "Hohen Meister" gepflückte Blatt findet aber zur Bereitung von trinkbarem Tee Verwendung - die von Meistern niedrigeren Grades gepflückten Teeblätter werden wegen ihrer geringeren Qualität in der Heilkunst eingesetzt oder kulinarisch weiterverwendet.
Nach der Ernte wird das frische, weiß geerntete Teeblatt zwischen handgetriebenen Granitmühlsteinen staubfein vermahlen und anschließend in bienenwachsversiegelten Bambusgefäßen luftdicht verpackt. Der Bambus trägt einerseits dazu bei, dem weißen Matcha ein Aroma zu verleihen, wie es die Amontillado-Fässer aus Eichenholz bei den edelsten Whiskys tun, um deren Geschmack zu vollenden. Andererseits dient die luftdichte Verpackung natürlich dazu, die wertvollen Inhaltsstoffe zu schützen. Und davon hat weißer reichlich, sogar mehr noch als der ohnehin schon stark aufgeladene grüne. Durchschnittlich um den Faktor 8 übertrifft weißer Matcha seinen "kleinen grünen Bruder" in allen Bereichen.
Das Resultat der traditionellen Bereitung ist ein leichter, gleichzeitig aber intensiver Geschmack nach weißem Tee, in dessen Genuss westliche Teetrinker bisher nie gelangen konnten, weil nur wenige Teekenner für würdig befunden wurden, einer Teezeremonie mit weißem Matcha überhaupt beizuwohnen. Die folgenden Aufnahmen aus den 30er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts können also mit Fug und Recht als einmalig bezeichnet werden.
Aufgeschäumt wird der weiße Matcha mit einem speziellen Cha-sen, einem Bambuspinsel, der mit den feinen Barthaaren der Himalaya-Gemse besteckt ist. Nur so ist die feincremige Konsistenz des Koi-cha zu erreichen, also des dickflüssigen, stärkeren Aufgusses des Matcha ("Honigtau der alten Götter").
Serviert wird der weiße Matcha in einer Schale aus tibetischem Bergkristall, der mit dem in Tibet sowie im angrenzenden im nepalesischen Bergland nur äußerst schwer zu beschaffendem, mit dem Speichel der Berggemse vermischten, zerriebenen Perlmutt der Pazifischen Auster (Crassostrea gigas) so lange geschliffen wird, bis er seine höchste Strahlkraft erhält.
Zu Ehren hoher Gäste wird der weiße Koi-cha mit dem süßlich schmeckenden jungen Moos der Berge Tibets verziert, das auf den Nordseiten der ältesten Teebäume gedeiht.
Ebenfalls unvergleichlich köstlich schmeckt der leichte weiße Matcha (Usu-cha), dem eine belebende Wirkung auf Körper und Geist zugesprochen wird, wenn man ihn (wie hier im Bild sehr schön zu sehen) auf der traditionellen Porzellanschale ("Auge Japans") serviert.
Der Wert einer Dose weißen Matchas (wie hier das traditionelle 2-Unzen-Gefäß aus Bambus mit Silberfuß) kann leicht in die Tausende von Euros gehen.
Ein Wort der Warnung ist allerdings angebracht - von unkundigen Händen bereitet, ist vom Zauber dieses kostbarsten aller Tees wenig zu spüren. Angeblich schmeckt er, wenn er nicht richtig mit dem Cha-sen angerührt wird, nach nicht viel mehr als Mehl. Unvollkommenen Meistern, die den Tee ruinierten, indem sie ihn mit zu wenig Hingabe zubereiteten oder etwa nicht das Felsquellwasser des Himalajas zum Ansetzen verwendeten, ist - so berichten die Schreiber - schnell der "Tod der tausend Schreie" zuteil geworden. Unnötig zu erwähnen, dass es weißen Matcha in Teebeuteln nie geben wird!