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Wie heißt die schrecklichste Stadt der Welt?

Relativ schnell wird einem klar, dass die Zeitung "Die Welt" offensichtlich an einem Übermaß von Abonnentinnen und Abonnenten in der Stadt Siegen in Nordrhein-Westfalen leidet. Gar schrecklich muss dieses Leiden sein, denn sie ergreift sogleich geeignete Gegenmaßnahmen in Form von Hannah Lühmann:

"Siegen ist die schrecklichste Stadt der Welt."
(Quelle: Lühmann, Hannah (2015) "Hier wird Heidegger der Prozess gemacht." In: Die Welthttps://www.welt.de/kultur/article140145963/Hier-wird-Heidegger-der-Proz... . Abgerufen 27.04.2015 )

Das is möglicherweise ein Satz für die Ewigkeit. Nach Lektüre des Artikels fragt man sich auch nicht mehr, warum es keinen sprichwörtlichen "Siegener Hochmut" gibt. Der Hochmut, der scheint nämlich ganz woanders zu regieren. Dort, wo es trotz Hochmutes nicht schrecklich ist, sondern schön. Im schönen Berlin zum Beispiel. Und der Hochmut scheint sich seiner Sache so sicher zu sein, dass er sich eines alten Taschenspielertricks bedienen muss, um die eigenen Vorstellungen von Ethik erst klar zu markieren, damit er sie dann gleich wieder aus den Angeln heben kann: "Es ist sicher ungerecht, sich über Orte lustig zu machen, die derart jeglicher Schönheit beraubt sind wie Siegen." (ebd.) Ja, sicher: ungerecht, das ist es wohl. Und dann sagt man einfach, dass es sicher ungerecht ist, sich lustig zu machen, aber dann macht man es trotzdem. Und selbstverständlich kann man es auch tun, erst etwas als "sicher ungerecht" zu markieren, es aber dann durch die eigene Selbstgerechtigkeit derart zu adeln, dass es schon wieder gerecht ist. Und zwar kann man das noch dazu mit einer solchen Leichtigkeit tun, über die man sich manchmal nur wundern kann. Doch der implizite Nachsatz, mit dem man sich an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf der selbst begangenen Ungerechtigkeiten ziehen kann, muss ja immer lauten "..., aber es ist unvermeidlich." So auch hier: "aber man muss es einmal sagen" (ebd.). Das ist natürlich ein argumentatives Muster, das einen zu allerhand befähigt. Wie man sieht. Es ist immerhin beruhigend, dass das Philosophiestudium in der Bundesrepublik Deutschland (und an der Sorbonne, ah, natürlich an der Sorbonne) auch nach seiner Reform im BA/MA-Format offenbar doch noch zu etwas taugt, wenn es junge, schöne und nicht-schreckliche Menschen zu solchen intellektuellen Leistungen und Urteilen über alte, hässliche und schreckliche Orte befähigt. Vielleicht ist ja noch Hoffnung, aber natürlich nur außerhalb der Stadtgrenzen Siegens - in Deutschlands schönen Reichshauptstädten und seinen schönen Metropolen zum Beispiel mit ihren schönen Flüssen und ihren klugen, schönen Menschen, die schöne, klare Gedanken in eleganten Worten aussprechen. Wenn man die nicht hätte, man säße wahrscheinlich in seinem hässlichsten Ort der Welt und wüsste es gar nicht.